eigene Texte
Don’t follow me, I’m lost too!
Don’t follow me, I’m lost too!
Heute nacht hab ich wieder einmal begriffen, was ich schon lange ahnte: Künstler müssen über das Verlorensein Bescheid wissen. Was aber nichts damit zu tun hat, dass sie nicht trotzdem vitale und heitere Menschen sein können.
Möglicherweise bleibt ihnen aber nichts anderes übrig, als Künstler zu werden, sozusagen als eine Art autotherapeutischer Maßnahme, denn wenn das was in jedem von ins drin ist heraus muss - dann bedarf jeder von uns dazu eines Ventils.
Ich befürchte, es ist so, dass Kunst nur dann auch Tiefe zeigen kann, wenn der Künstler auch den Mut hat. in die Tiefe zu blicken. Und das kann er nur, wenn er sich gelegentlich am Rande des Abgrunds bewegt.
Das Wissen um die Verlorenheit jeglicher Kreatur kann auf der anderen Seite jedoch auch Gelassenheit bringen, denn was gibt es noch Bedrohliches auf der Welt, sobald wir erkannt haben, dass alles Leben vergänglich ist und dass wir ALLE dem Verlorensein geweiht sind, weshalb auch mein kleines ICH nicht davon verschont bleiben wird. Alle sind wir irgendwie klein und verloren - und das nicht nur aus galaktischer Sicht.
Diese Erkenntnis blickt uns auch aus jeder ernstzunehmenden künstlerischen Aussage heraus an, wenn vielleicht auch nur von ganz hinten. Sie ertönt als Oberton aus Paul Klees Zwitschermaschine und aus dem Mund von Joan Miró’s Kleckswesen.
Eigentlich habe ich das schon immer geahnt, oder vielmehr befürchtet: Die Schauer, die mir in meiner frühen Jugend die Abbildungen von Noldes Blumen oder Max Beckmanns Apachen über die Haut jagten, waren bereits Anzeichen dieser Erkenntnis – wenn auch noch vollkommen unbewußt!
Als ich damals insgeheim den Entschluss fasste, Künstler werden zu wollen, lockte mich vermutlich auch jenes dunkle Geheimnis – das hinter all den leuchtenden Farben und den trunken machenden Formen hervorschimmerte. Was mich dazu bewogen hat, meinen Entschluß auch in die Tat umzusetzen.
Als mir dann so nach und nach die Konsequenzen meines Berufs klar wurden, versuchte ich etliche Male zu fliehen, in der Meinung, dass ich dann dieser furchtbaren Wahrheit nicht länger ins Gesicht zu sehen brauchte. Weil ich ganz klar sah, dass ALLE ANDEREN in ihren Verstrickungen und in ihrer Verlorenheit gefangen waren. Doch für mich konnte das doch unmöglich gelten!
Aber natürlich habe ich bereits erkannt, dass auch ich gebunden und sterblich bin!
Manch einer, den das Überschreiten des Abgrunds bedroht, denkt, dass es genügt, einfach stattdessen die Brücke zu verbrennen. So dachte auch ich, indem ich annahm, dass es mir gelingen würde, einfach aufzuhören Künstler zu sein.
Ich versuchte es mit den verschiedensten Fluchtwegen. Der allerplausibelste, den ich überhaupt einschlagen konnte, das war die Profession der meisten meiner Vorfahren, die fast alle Bauerrn waren. Die Menschen konnten ohne den ganzen Zivilisationskram auskommen - ohne Autos, ohne Elektronik und wahrscheinlich sogar ohne Kunst! Aber niemand kann ohne Essen leben! So dachte ich.
Weshalb ich Bauer werden wollte. Schafe hatte ich bereits, vielerlei Geflügel und einen großen Garten ebenfalls und auch ein Feld und Wiesen, also kaufte ich einen alten Traktor samt Wagen und Gerät, sowie eine Kuh, die ich decken ließ und dann meldete ich meine Landwirtschaft bei der Berufsgenossenschaft an. Wie stolz war ich, zum erstenmal in meinem Leben einen ordentlichen Beruf angeben zu können.
Und wie ging es dem Bauern? Zuerst sehr gut. Er wägte sich endlich in verdienter Ruhe, denn zum ersten Mal saß er in scheinbar gerechtfertigtem Frieden mit seiner Seele abends rauchend auf der Bank vor dem Haus. Doch dieses Gefühl trug nicht weit – es war ein echt trügerisches Gefühl – denn die Schwierigkeiten häuften sich.
Hatte ich gehofft, endlich das Bild des Verlorenseins aus den Augen zu verlieren, so hatte ich noch nie zuvor dem Tod und dem Vergehen so nah gegenüber gestanden wie jetzt. Und es blieb nichts zu tun, als die Hühner zu ersetzen, die der Habicht geholt hatte, oder den Tierarzt oder gleich den Abdecker zu bestellen und für die verendeten Mutterschafe neue zu kaufen und auf die Lämmer vom nächsten Frühjahr zu hoffen . Aber es erdrückte mich fast!
Mit großer Erleichterung griff ich wieder nach den mir vertrauten Mitteln, den Instrumenten, den Farben, den Werkzeugen und den bewährten Materialien. Damit ich dem unerwarteten Riesenschreck, der mich unverhüllt anblickte, etwas entgegensetzen konnte. Wobei ich einsah, dass ich aufgrund meiner Unkenntnis dieses Elend letzten Endes selbst verursacht hatte. Wie gut tat es mir da, dass ich meine Not in Bilder umformen konnte, manche davon zweidimensional, manche dreidimensional, wieder andere in Tönen oder Wörtern.
Wie war ich froh, kurz vorm Ersticken zu entdecken, dass ich offenbar immer noch Künstler war. Ich hatte eingesehen. dass ich zu sehr von des Gedankens Blässe angekränkelt, war, als dass aus mir jemals ein guter Bauer werden könnte! ICH SAH ES EIN!
Auch wenn es mir als Künstler nicht erspart bleibt, mich auf Schmerz, Scheitern und Tod als bestimmende Faktoren unserer Existenz einzulassen, so betreibe ich meine Kunst allerdings vorwiegend wegen des wundervollen Spiels - der Suche nach der jeweiligen Form.
Es geschah als ich - wieder einmal - auf der Flucht aus einer unglücklichen Beziehung auf der Autobahn nach Hamburg hinter einem dahinschleichenden kleinen Fiat herfuhr. Auf einem Pappschild, das fast die ganze Heckscheibe einnahm, las ich: DON’T FOLLOW ME – I’M LOST TOO!
Da erfüllte Dankbarkeit meine verwirrte Seele....
Heute nacht hab ich wieder einmal begriffen, was ich schon lange ahnte: Künstler müssen über das Verlorensein Bescheid wissen. Was aber nichts damit zu tun hat, dass sie nicht trotzdem vitale und heitere Menschen sein können.
Möglicherweise bleibt ihnen aber nichts anderes übrig, als Künstler zu werden, sozusagen als eine Art autotherapeutischer Maßnahme, denn wenn das was in jedem von ins drin ist heraus muss - dann bedarf jeder von uns dazu eines Ventils.
Ich befürchte, es ist so, dass Kunst nur dann auch Tiefe zeigen kann, wenn der Künstler auch den Mut hat. in die Tiefe zu blicken. Und das kann er nur, wenn er sich gelegentlich am Rande des Abgrunds bewegt.
Das Wissen um die Verlorenheit jeglicher Kreatur kann auf der anderen Seite jedoch auch Gelassenheit bringen, denn was gibt es noch Bedrohliches auf der Welt, sobald wir erkannt haben, dass alles Leben vergänglich ist und dass wir ALLE dem Verlorensein geweiht sind, weshalb auch mein kleines ICH nicht davon verschont bleiben wird. Alle sind wir irgendwie klein und verloren - und das nicht nur aus galaktischer Sicht.
Diese Erkenntnis blickt uns auch aus jeder ernstzunehmenden künstlerischen Aussage heraus an, wenn vielleicht auch nur von ganz hinten. Sie ertönt als Oberton aus Paul Klees Zwitschermaschine und aus dem Mund von Joan Miró’s Kleckswesen.
Eigentlich habe ich das schon immer geahnt, oder vielmehr befürchtet: Die Schauer, die mir in meiner frühen Jugend die Abbildungen von Noldes Blumen oder Max Beckmanns Apachen über die Haut jagten, waren bereits Anzeichen dieser Erkenntnis – wenn auch noch vollkommen unbewußt!
Als ich damals insgeheim den Entschluss fasste, Künstler werden zu wollen, lockte mich vermutlich auch jenes dunkle Geheimnis – das hinter all den leuchtenden Farben und den trunken machenden Formen hervorschimmerte. Was mich dazu bewogen hat, meinen Entschluß auch in die Tat umzusetzen.
Als mir dann so nach und nach die Konsequenzen meines Berufs klar wurden, versuchte ich etliche Male zu fliehen, in der Meinung, dass ich dann dieser furchtbaren Wahrheit nicht länger ins Gesicht zu sehen brauchte. Weil ich ganz klar sah, dass ALLE ANDEREN in ihren Verstrickungen und in ihrer Verlorenheit gefangen waren. Doch für mich konnte das doch unmöglich gelten!
Aber natürlich habe ich bereits erkannt, dass auch ich gebunden und sterblich bin!
Manch einer, den das Überschreiten des Abgrunds bedroht, denkt, dass es genügt, einfach stattdessen die Brücke zu verbrennen. So dachte auch ich, indem ich annahm, dass es mir gelingen würde, einfach aufzuhören Künstler zu sein.
Ich versuchte es mit den verschiedensten Fluchtwegen. Der allerplausibelste, den ich überhaupt einschlagen konnte, das war die Profession der meisten meiner Vorfahren, die fast alle Bauerrn waren. Die Menschen konnten ohne den ganzen Zivilisationskram auskommen - ohne Autos, ohne Elektronik und wahrscheinlich sogar ohne Kunst! Aber niemand kann ohne Essen leben! So dachte ich.
Weshalb ich Bauer werden wollte. Schafe hatte ich bereits, vielerlei Geflügel und einen großen Garten ebenfalls und auch ein Feld und Wiesen, also kaufte ich einen alten Traktor samt Wagen und Gerät, sowie eine Kuh, die ich decken ließ und dann meldete ich meine Landwirtschaft bei der Berufsgenossenschaft an. Wie stolz war ich, zum erstenmal in meinem Leben einen ordentlichen Beruf angeben zu können.
Und wie ging es dem Bauern? Zuerst sehr gut. Er wägte sich endlich in verdienter Ruhe, denn zum ersten Mal saß er in scheinbar gerechtfertigtem Frieden mit seiner Seele abends rauchend auf der Bank vor dem Haus. Doch dieses Gefühl trug nicht weit – es war ein echt trügerisches Gefühl – denn die Schwierigkeiten häuften sich.
Hatte ich gehofft, endlich das Bild des Verlorenseins aus den Augen zu verlieren, so hatte ich noch nie zuvor dem Tod und dem Vergehen so nah gegenüber gestanden wie jetzt. Und es blieb nichts zu tun, als die Hühner zu ersetzen, die der Habicht geholt hatte, oder den Tierarzt oder gleich den Abdecker zu bestellen und für die verendeten Mutterschafe neue zu kaufen und auf die Lämmer vom nächsten Frühjahr zu hoffen . Aber es erdrückte mich fast!
Mit großer Erleichterung griff ich wieder nach den mir vertrauten Mitteln, den Instrumenten, den Farben, den Werkzeugen und den bewährten Materialien. Damit ich dem unerwarteten Riesenschreck, der mich unverhüllt anblickte, etwas entgegensetzen konnte. Wobei ich einsah, dass ich aufgrund meiner Unkenntnis dieses Elend letzten Endes selbst verursacht hatte. Wie gut tat es mir da, dass ich meine Not in Bilder umformen konnte, manche davon zweidimensional, manche dreidimensional, wieder andere in Tönen oder Wörtern.
Wie war ich froh, kurz vorm Ersticken zu entdecken, dass ich offenbar immer noch Künstler war. Ich hatte eingesehen. dass ich zu sehr von des Gedankens Blässe angekränkelt, war, als dass aus mir jemals ein guter Bauer werden könnte! ICH SAH ES EIN!
Auch wenn es mir als Künstler nicht erspart bleibt, mich auf Schmerz, Scheitern und Tod als bestimmende Faktoren unserer Existenz einzulassen, so betreibe ich meine Kunst allerdings vorwiegend wegen des wundervollen Spiels - der Suche nach der jeweiligen Form.
Es geschah als ich - wieder einmal - auf der Flucht aus einer unglücklichen Beziehung auf der Autobahn nach Hamburg hinter einem dahinschleichenden kleinen Fiat herfuhr. Auf einem Pappschild, das fast die ganze Heckscheibe einnahm, las ich: DON’T FOLLOW ME – I’M LOST TOO!
Da erfüllte Dankbarkeit meine verwirrte Seele....
Synopsis
SYNOPSIS - ALS WEG OHNE ZIEL
Unter anderem sehe ich meine Arbeit darin, die bildnerischen Möglichkeiten der Materialien auszuprobieren, die ich unterwegs auf meinem Weg finde, Das bedeutet, herauszufinden, auf welche Weise ich sie transformieren kann. Oder anders gesagt, wie sich das Gefundene aus seiner natürlichen Bedeutungslosigkeit überführen lässt in jenen künstlichen Zustand der Bedeutung, den wir allgemein ‘Kunst’ nennen. Diesen Prozess bezeichne ich als: Die Suche nach dem anderen Gesicht der Dinge.
Die Fülle dessen was ich alles finden kann ist weit gefächert und wird eigentlich nur durch die Begrenzung meines Gesichtsfeldes eingeengt. An einer Stelle trete ich auf rotbunte Herbstblätter, an einer anderen stolpere ich über grellbunte Illustriertenblätter.- Material gibt es allenthalben die Hülle und Fülle!
Manchmal, wenn auch seltener, stoße ich sogar auf Rollen makellosen Leinens und pralle Tuben voll leuchtender Farben! Aber auch die Asche aus Herd und Kamin, sowie die Erde aus dem Garten - den Atelierstaub nicht zu übersehen - erkenne ich als Pigmente von geheimnisvollem Glanz an. Zu erkennen, darin liegt bereits die erste Hälfte des Abenteuers Kunst. Es ist so, wie Hans Arp sagt: Der schönste Beruf ist der des Sehmanns!
Jedes Material impliziert spezifische Möglichkeiten der Gestaltung, die nur ihm eigen sind: Tuschen und flüssige Farben fordern mich zu spontanem und vorwiegend informellem Arbeiten auf. Wenn ich für Collagen mit der Schere Teile aus Papieren ausschneide, so ergeben sich dabei Formen mit eher konstruktiven Anklängen. Genauso, wenn ich mit der Diamantscheibe in der Flex an einem Granitbrocken säge, so bedingt allein der achtsame Umgang, den das nicht ungefährliche Werkzeug erfordert, daß ich bei diesem Prozess bedachtere, geschlossenere Formen herausschäle, als beim Zusammenkleben von Stücken Wellpappe zu einer Plastik.. Allein dadurch entsteht schon Vielgestalt in meinem Werk, wobei diese Gedanken über die Arbeit bisher nur die Kriterien des Materials berühren.
Was jedoch das Verstehen von Kunst betrifft, so ist die Frage nach ihrem Sinn sicherlich genauso schwer zu beantworten wie jene Frage, die ein Zenschüler seinem Meister stellte:
Meister, was ist der Sinn des Lebens?
Lange schwieg der Meister, bevor er dem Schüler eine schallende Ohrfeige gab.
Wie soll er das verstehen? Dass der Meister ein Rüpel ist? Oder will er ihm nur zeigen, dass seine Frage sinnlos ist? Oder, dass es auf diese Frage keine Antwort gibt? Oder ist die Watsche die treffende Antwort?
Also, und was ist nun der Sinn der Kunst?
PATSCH!
Sehen wir einmal davon ab, dass es immer Künstler gibt, die die Frage nach dem Sinn der Kunst grundsätzlich mit einer Ohrfeige beantworten. Denn wenn sich in der KUNST das Leben spiegeln soll, dann muss die Kunst auch all das tun dürfen, was das Leben tut. Zum Beispiel: erfreuen, entzücken, beleidigen, entsetzen, berauschen + berauben, erschüttern, erheitern + betrüben. anekeln, abstoßen + begeistern, bejubeln, einschläfern, belästigen, verklären + langweilen, erheben und noch viel, viel mehr...
Denn das einzige, was die Kunst wirklich vermag - sie kann ein Spiegel sein. Und wenn sie wahrhaftig ist, so kann sich in ihr das Leben spiegeln. Mehr nicht!
Wenn es darum auch keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Kunst gibt, so ist das nur logisch, weil ja wohl auch kaum eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu finden ist. So bleibt uns in der Kunst die Unendlichkeit ihrer Erscheinungsformen!Ist das nicht gerade das Wunderbare an der Kunst? WEIL ES JA AUCH DAS WUNDERBARE AM LEBEN IST!
Und falls dieses virtuelle Spiel, was wir KUNST nennen, neben seiner unmittelbaren Erscheinung in Formen, Farben und Klängen noch eines weiteren Sinns bedarf - so sehe ich ihn darin.
Unter anderem sehe ich meine Arbeit darin, die bildnerischen Möglichkeiten der Materialien auszuprobieren, die ich unterwegs auf meinem Weg finde, Das bedeutet, herauszufinden, auf welche Weise ich sie transformieren kann. Oder anders gesagt, wie sich das Gefundene aus seiner natürlichen Bedeutungslosigkeit überführen lässt in jenen künstlichen Zustand der Bedeutung, den wir allgemein ‘Kunst’ nennen. Diesen Prozess bezeichne ich als: Die Suche nach dem anderen Gesicht der Dinge.
Die Fülle dessen was ich alles finden kann ist weit gefächert und wird eigentlich nur durch die Begrenzung meines Gesichtsfeldes eingeengt. An einer Stelle trete ich auf rotbunte Herbstblätter, an einer anderen stolpere ich über grellbunte Illustriertenblätter.- Material gibt es allenthalben die Hülle und Fülle!
Manchmal, wenn auch seltener, stoße ich sogar auf Rollen makellosen Leinens und pralle Tuben voll leuchtender Farben! Aber auch die Asche aus Herd und Kamin, sowie die Erde aus dem Garten - den Atelierstaub nicht zu übersehen - erkenne ich als Pigmente von geheimnisvollem Glanz an. Zu erkennen, darin liegt bereits die erste Hälfte des Abenteuers Kunst. Es ist so, wie Hans Arp sagt: Der schönste Beruf ist der des Sehmanns!
Jedes Material impliziert spezifische Möglichkeiten der Gestaltung, die nur ihm eigen sind: Tuschen und flüssige Farben fordern mich zu spontanem und vorwiegend informellem Arbeiten auf. Wenn ich für Collagen mit der Schere Teile aus Papieren ausschneide, so ergeben sich dabei Formen mit eher konstruktiven Anklängen. Genauso, wenn ich mit der Diamantscheibe in der Flex an einem Granitbrocken säge, so bedingt allein der achtsame Umgang, den das nicht ungefährliche Werkzeug erfordert, daß ich bei diesem Prozess bedachtere, geschlossenere Formen herausschäle, als beim Zusammenkleben von Stücken Wellpappe zu einer Plastik.. Allein dadurch entsteht schon Vielgestalt in meinem Werk, wobei diese Gedanken über die Arbeit bisher nur die Kriterien des Materials berühren.
Was jedoch das Verstehen von Kunst betrifft, so ist die Frage nach ihrem Sinn sicherlich genauso schwer zu beantworten wie jene Frage, die ein Zenschüler seinem Meister stellte:
Meister, was ist der Sinn des Lebens?
Lange schwieg der Meister, bevor er dem Schüler eine schallende Ohrfeige gab.
Wie soll er das verstehen? Dass der Meister ein Rüpel ist? Oder will er ihm nur zeigen, dass seine Frage sinnlos ist? Oder, dass es auf diese Frage keine Antwort gibt? Oder ist die Watsche die treffende Antwort?
Also, und was ist nun der Sinn der Kunst?
PATSCH!
Sehen wir einmal davon ab, dass es immer Künstler gibt, die die Frage nach dem Sinn der Kunst grundsätzlich mit einer Ohrfeige beantworten. Denn wenn sich in der KUNST das Leben spiegeln soll, dann muss die Kunst auch all das tun dürfen, was das Leben tut. Zum Beispiel: erfreuen, entzücken, beleidigen, entsetzen, berauschen + berauben, erschüttern, erheitern + betrüben. anekeln, abstoßen + begeistern, bejubeln, einschläfern, belästigen, verklären + langweilen, erheben und noch viel, viel mehr...
Denn das einzige, was die Kunst wirklich vermag - sie kann ein Spiegel sein. Und wenn sie wahrhaftig ist, so kann sich in ihr das Leben spiegeln. Mehr nicht!
Wenn es darum auch keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Kunst gibt, so ist das nur logisch, weil ja wohl auch kaum eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu finden ist. So bleibt uns in der Kunst die Unendlichkeit ihrer Erscheinungsformen!Ist das nicht gerade das Wunderbare an der Kunst? WEIL ES JA AUCH DAS WUNDERBARE AM LEBEN IST!
Und falls dieses virtuelle Spiel, was wir KUNST nennen, neben seiner unmittelbaren Erscheinung in Formen, Farben und Klängen noch eines weiteren Sinns bedarf - so sehe ich ihn darin.
Vorgehen
GEDANKEN ZUM VORGEHN
Mein Arbeitsprozess beim Malen eines Bildes verläuft diametral entgegengesetzt zu dem beim Hauen einer Skulptur, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe! Denn beim Malen entsteht das fertige Bild indem ich die anfangs leere Fläche der Leinwand oder des Papierbogens fülle – während eine Skulptur diejenige Form ist, die ich am Ende des Arbeitsprozesses vom Ausgangsmaterial stehen lasse. Michelangelo Buonaroti bezeichnete das als: Die Figur aus dem Stein befreien.
Es erweitert mein Gesichtsfeld enorm, dass ich in meiner Arbeit beide Wege gehen kann, den des Zufügens und den des Wegnehmens, weil ich dadurch gegensätzliche Arten des Reagierens übe, was mir auch für das Leben außerhalb meiner Arbeit hilfreich ist.
Bei der Art wie ich male, entstehen die Formen fast von alleine, weil sich die entstehenden Formen aus meinem Unbewussten heraus schälen. Und obwohl ich beim Bearbeiten der Steine ähnlich absichtslos vorgehe wie beim Malen – so ist das trotzdem etwas völlig Anderes. Denn zum einen läuft der Arbeitsprozess viel langsamer ab, weil meine Werkzeuge - die Eisen, Fäustel und Trennscheiben, besonders die mit Diamantsplittern belegten Schleifscheiben - eine hohe Achtsamkeit erfordern! Absolute Konzentration und Disziplin. Denn von der Gefährlichkeit dieses Instrumentariums abgesehen – so ist alles was ich vom Block abtrenne auf immer und ewig weg! Was ist im Vergleich hierzu ein Pinsel für ein harmloses Gerät.
Aus diesen Gründen entstehen bei meinen Skulpturen sehr viel strengere und konzentriertere Formen als bei meinen Bildern. Ich gehe zwar an die Steine und die Holzblöcke genauso ohne feste Vorstellung heran wie an die leeren Malflächen; das was geschieht findet in beiden Bereichen sein Werden erst mitten auf dem Weg, jedoch bedingt das langsamere Tempo beim Arbeiten einer Skulptur notwendigerweise ein längeres Nachdenken. Wie auch die notwendigen Pausen während der Arbeit mehr Kontemplation gewähren. Aus diesen Gründen werden die Formen der Skulpturen wesentlich bedachter und die der Bilder viel spontaner, um nicht zu sagen: informeller.
Das Ausgangsmaterial der Skulpturen, also der Steinbrocken oder der Holzblock besitzt zu Beginn der Arbeit noch eine einfache oder sogar eine rohe Gestalt, weshalb der Prozess seiner Bearbeitung naturgemäß in die Richtung einer Verfeinerung führt, indem ich den Weg einschlage, der von seinem wilden Naturzustand wegführt in eine bewusste Formung. Nach der Arbeit steht der Ausgangsbrocken oder Stamm verfeinert da. Komponiert, glänzend und poliert. So ist der künstlerische Arbeitsprozess für mich immer der Weg hin in das Andere:
La otretad.
Denn wenn auch der Weg des Malens in die umgekehrte Richtung geht, so zielt er auch in das Andere. Zu Beginn dieses Arbeitsprozesses finde ich in der weiß grundierten Leinwand oder im unberührten Bogen Papier bereits ein makelloses Bild vor. Das perfekteste aller denkbaren Bilder.
Somit ist es kein Wunder, dass diese Vollkommenheit am Ende meines Arbeitsprozesses weitgehend ausgelöscht ist. Die Bemalung führt zu einem komplexen Zustand voller Spuren und Schründe. Somit stellt sich das, was ich als mein Bild bezeichne, am Ende seiner Bearbeitung eher roh und rau dar. Brut!
Der Endzustand der einst weißen Fläche des Bildes, zeigt, dass der Malgrund eine Geschichte erfahren hat, indem es zur Dokumentation der Geschichte seines Entstehungsprozesses wurde und somit als Bildnis die Geschichte seiner Genese erzählt.
Man könnte es auf den Nenner bringen, dass ich beim Malen meiner Bilder den Weg von der Zivilisation in die Wildnis suche, während der Arbeitsvorgang bei den Skulpturen in die entgegengesetzte Richtung, von der Wildnis in die Zivilisation läuft.
Ein dritter Weg ist der, mit vorgefundenen Materialien zu arbeiten, die schon eine eigene Geschichte mitbringen. Allerdings kann sich der vage Begriff gefunden auf vielerlei Kriterien beziehen. Unter anderem auf die Ausgangsform eines Steinbrockens. Finde ich beispielsweise eine vierkantige Säule aus Granit, so werde ich einen Teufel tun, um daraus jetzt einen Zylinder oder eine Schraube zu arbeiten. Eine derart explizite Form akzeptiere ich selbstverständlich als vorgegebene Grundform meiner Arbeit. Das bedeutet, dass meine Bearbeitung nur noch im Kommentieren der geschenkten Form zu liegen braucht, indem, ich Akzente schaffe und Kontrapunkte setze. Um über dem blühenden Baum die blaue Wolke ziehen zu lassen...
Mein Arbeitsprozess beim Malen eines Bildes verläuft diametral entgegengesetzt zu dem beim Hauen einer Skulptur, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe! Denn beim Malen entsteht das fertige Bild indem ich die anfangs leere Fläche der Leinwand oder des Papierbogens fülle – während eine Skulptur diejenige Form ist, die ich am Ende des Arbeitsprozesses vom Ausgangsmaterial stehen lasse. Michelangelo Buonaroti bezeichnete das als: Die Figur aus dem Stein befreien.
Es erweitert mein Gesichtsfeld enorm, dass ich in meiner Arbeit beide Wege gehen kann, den des Zufügens und den des Wegnehmens, weil ich dadurch gegensätzliche Arten des Reagierens übe, was mir auch für das Leben außerhalb meiner Arbeit hilfreich ist.
Bei der Art wie ich male, entstehen die Formen fast von alleine, weil sich die entstehenden Formen aus meinem Unbewussten heraus schälen. Und obwohl ich beim Bearbeiten der Steine ähnlich absichtslos vorgehe wie beim Malen – so ist das trotzdem etwas völlig Anderes. Denn zum einen läuft der Arbeitsprozess viel langsamer ab, weil meine Werkzeuge - die Eisen, Fäustel und Trennscheiben, besonders die mit Diamantsplittern belegten Schleifscheiben - eine hohe Achtsamkeit erfordern! Absolute Konzentration und Disziplin. Denn von der Gefährlichkeit dieses Instrumentariums abgesehen – so ist alles was ich vom Block abtrenne auf immer und ewig weg! Was ist im Vergleich hierzu ein Pinsel für ein harmloses Gerät.
Aus diesen Gründen entstehen bei meinen Skulpturen sehr viel strengere und konzentriertere Formen als bei meinen Bildern. Ich gehe zwar an die Steine und die Holzblöcke genauso ohne feste Vorstellung heran wie an die leeren Malflächen; das was geschieht findet in beiden Bereichen sein Werden erst mitten auf dem Weg, jedoch bedingt das langsamere Tempo beim Arbeiten einer Skulptur notwendigerweise ein längeres Nachdenken. Wie auch die notwendigen Pausen während der Arbeit mehr Kontemplation gewähren. Aus diesen Gründen werden die Formen der Skulpturen wesentlich bedachter und die der Bilder viel spontaner, um nicht zu sagen: informeller.
Das Ausgangsmaterial der Skulpturen, also der Steinbrocken oder der Holzblock besitzt zu Beginn der Arbeit noch eine einfache oder sogar eine rohe Gestalt, weshalb der Prozess seiner Bearbeitung naturgemäß in die Richtung einer Verfeinerung führt, indem ich den Weg einschlage, der von seinem wilden Naturzustand wegführt in eine bewusste Formung. Nach der Arbeit steht der Ausgangsbrocken oder Stamm verfeinert da. Komponiert, glänzend und poliert. So ist der künstlerische Arbeitsprozess für mich immer der Weg hin in das Andere:
La otretad.
Denn wenn auch der Weg des Malens in die umgekehrte Richtung geht, so zielt er auch in das Andere. Zu Beginn dieses Arbeitsprozesses finde ich in der weiß grundierten Leinwand oder im unberührten Bogen Papier bereits ein makelloses Bild vor. Das perfekteste aller denkbaren Bilder.
Somit ist es kein Wunder, dass diese Vollkommenheit am Ende meines Arbeitsprozesses weitgehend ausgelöscht ist. Die Bemalung führt zu einem komplexen Zustand voller Spuren und Schründe. Somit stellt sich das, was ich als mein Bild bezeichne, am Ende seiner Bearbeitung eher roh und rau dar. Brut!
Der Endzustand der einst weißen Fläche des Bildes, zeigt, dass der Malgrund eine Geschichte erfahren hat, indem es zur Dokumentation der Geschichte seines Entstehungsprozesses wurde und somit als Bildnis die Geschichte seiner Genese erzählt.
Man könnte es auf den Nenner bringen, dass ich beim Malen meiner Bilder den Weg von der Zivilisation in die Wildnis suche, während der Arbeitsvorgang bei den Skulpturen in die entgegengesetzte Richtung, von der Wildnis in die Zivilisation läuft.
Ein dritter Weg ist der, mit vorgefundenen Materialien zu arbeiten, die schon eine eigene Geschichte mitbringen. Allerdings kann sich der vage Begriff gefunden auf vielerlei Kriterien beziehen. Unter anderem auf die Ausgangsform eines Steinbrockens. Finde ich beispielsweise eine vierkantige Säule aus Granit, so werde ich einen Teufel tun, um daraus jetzt einen Zylinder oder eine Schraube zu arbeiten. Eine derart explizite Form akzeptiere ich selbstverständlich als vorgegebene Grundform meiner Arbeit. Das bedeutet, dass meine Bearbeitung nur noch im Kommentieren der geschenkten Form zu liegen braucht, indem, ich Akzente schaffe und Kontrapunkte setze. Um über dem blühenden Baum die blaue Wolke ziehen zu lassen...
Überlegungen
Einige Überlegungen zum Plastischen von Kunst
In einem kurzen Fernseh-Feature über meine Wellpapp-Skulpturen stellte mir ein Journalist die treffliche Frage: «Ist dieses Material nicht sehr anfällig?»
„ «Ganz sicher,» antwortete ich, «doch vor allem in dem Sinn, dass es in sehr großen Mengen anfällt!»
Und was die andere Seite von Anfälligkeit beträfe, so gibt es ja Kollegen, fügte ich hinzu, die inzwischen mit noch wesentlich verderblicheren Materialien gearbeitet hätten. Joseph Beuys zum Beispiel mit Schweinefett oder Piero Manzoni sogar mit Fäkalien.
Ob das ein Anzeichen dafür sei, dass sich die Kunst jetzt im Leben auflöse, wollte er daraufhin wissen.
In gewisser Hinsicht sei das sicherlich der Fall, antwortete ich, fügte aber hinzu, dass ich davon überzeugt sei, dass das Bedürfnis der Menschen, sich auszudrücken und mit Sinn und Form zu spielen auch weiterhin nicht zu Ende sein wird. Denn auf dem Weg - sagen wir mal verkürzt - vom Affen bis hin zu jenem Wesen, dem man den Arbeitstitel Homo sapiens gab, sähe ich das Sich-Selbst-Gewahr-Werden im Schöpferischen als elementaren Prozess an, um sich selbst und die Anderen wahr-nehmen zu können!.
Nachdem die Warenproduktion der führenden Industriegesellschaften aber immer weniger menschliche Arbeitskraft beansprucht, ist zu beobachten, setzte ich hinzu, dass auch immer mehr Menschen beginnen, sich mit verschiedenen Formen kreativer Betätigung auseinanderzusetzen.
Ich denke, dass eine Zeit kommen wird, in der das Prinzip des Schöpferischen, das wir bisher in jener Zone zuhause glaubten, die wir als Die Kunst bezeichneten, zunehmenden Einfluss auf unser tägliches Leben gewinnen wird. Das bedeutet, dass Mittel wie Ausdruck, Gestaltung und Spiel in unserem täglichen Umgang miteinander mehr Raum einnehmen werden. Dadurch wird die Kunst jedoch keineswegs verschwinden - allerdings wird sie einiges von jener pseudo-sakralen Bedeutungsschwere verlieren, von der sie heutzutage noch umgeben ist, indem sich ihre schöpferische Kraft zunehmend in einer sinnenfroheren Lebensgestaltung bemerkbar macht.
Genau besehen bezieht das opernhafte Pathos, das bei uns jegliche Inszenierung von "Kunst" weitgehend begleitet, seine Kraft letztenEndes nur aus seinem Kontrast zu jener Bedeutungsleere und der Sinn- und Ausdruckslosigkeit, von der das tägliche Leben der meisten Menschen bis jetzt noch dominiert wird..
Um auf meine eigene künstlerische Entwicklung zu sprechen zu kommen
In einigen Bereichen war ich etwas frühreif, indem ich beispielsweise die Phase der merda d’artista bereits in allerfrühester Kindheit hinter mich brachte.
Allerdings habe ich anders als Manzoni - und auch genau zwanzig Jahre vor ihm - mein Material, nicht wie er als Konserve eingedost, sondern es malerisch frei eingesetzt. Den Grundstoff habe ich mir aus meinem Nachttopf durch die Gitterstäbe meines Bettchens geangelt, und verteilte ihn - inzwischen würde man diesen Stil informell nennen – freizügig auf dem Laken in meinem Bett.
Wie ebenfalls authentisch überliefert wurde, legte ich im selben Jahr, auch bereits meine erste Fettecke an. Das war im Jahre 1943, also im gleichen Jahr, in dem der spätere Meister der Fettecken über der Krim mit seinem Kampfflugzeug abgeschossen wurde, wobei er, wie er später behauptete, dem drohenden Kältetod nur durch das Fett und den Filz entkommen sei, mit dem Krimtartaren den gestürzten Krieger erwärmt hatten.
Ich jedoch war damals erst ein Jahr alt, als ich im erwähnten Gitterbett - wie man sieht, dem Atelier meiner frühen Schaffensjahre - das geschmeidig Fügsame und Formbare der deutschen Markenbutter erforschte.
Wie später so oft als Künstler musste ich mich damals bereits arg im Material beschränken, denn die Zeiten waren sehr rauh, so dass ich aus dem dicht neben meinem Bett stehenden Küchenschrank nur ein halbes Pfund Butter holen konnte. das ich sorgsam auf dem Laken und den Vorhängen an der Kopfseite verteilte! Meine Mutter sprach noch lange in beeindrucktem Tone von der Avantgarde dieser meiner ersten Werke.
Wen wundert es darum, dass jene künstlerische Frühreife zur Folge hat, dass ich seitdem ausgesprochen hemmungslos von Medium zu Medium fliege, von Sujet zu Sujet schweife, von Idee zu Idee springe, von Form zu Form tanze oder von Material zu Material klettere - ohne dabei irgendwelche Rücksichten auf eine eventuelle corporate identity, ein mögliches Produktdesign oder ein einprägsames Markenzeichen zu nehmen.
25/7/99
In einem kurzen Fernseh-Feature über meine Wellpapp-Skulpturen stellte mir ein Journalist die treffliche Frage: «Ist dieses Material nicht sehr anfällig?»
„ «Ganz sicher,» antwortete ich, «doch vor allem in dem Sinn, dass es in sehr großen Mengen anfällt!»
Und was die andere Seite von Anfälligkeit beträfe, so gibt es ja Kollegen, fügte ich hinzu, die inzwischen mit noch wesentlich verderblicheren Materialien gearbeitet hätten. Joseph Beuys zum Beispiel mit Schweinefett oder Piero Manzoni sogar mit Fäkalien.
Ob das ein Anzeichen dafür sei, dass sich die Kunst jetzt im Leben auflöse, wollte er daraufhin wissen.
In gewisser Hinsicht sei das sicherlich der Fall, antwortete ich, fügte aber hinzu, dass ich davon überzeugt sei, dass das Bedürfnis der Menschen, sich auszudrücken und mit Sinn und Form zu spielen auch weiterhin nicht zu Ende sein wird. Denn auf dem Weg - sagen wir mal verkürzt - vom Affen bis hin zu jenem Wesen, dem man den Arbeitstitel Homo sapiens gab, sähe ich das Sich-Selbst-Gewahr-Werden im Schöpferischen als elementaren Prozess an, um sich selbst und die Anderen wahr-nehmen zu können!.
Nachdem die Warenproduktion der führenden Industriegesellschaften aber immer weniger menschliche Arbeitskraft beansprucht, ist zu beobachten, setzte ich hinzu, dass auch immer mehr Menschen beginnen, sich mit verschiedenen Formen kreativer Betätigung auseinanderzusetzen.
Ich denke, dass eine Zeit kommen wird, in der das Prinzip des Schöpferischen, das wir bisher in jener Zone zuhause glaubten, die wir als Die Kunst bezeichneten, zunehmenden Einfluss auf unser tägliches Leben gewinnen wird. Das bedeutet, dass Mittel wie Ausdruck, Gestaltung und Spiel in unserem täglichen Umgang miteinander mehr Raum einnehmen werden. Dadurch wird die Kunst jedoch keineswegs verschwinden - allerdings wird sie einiges von jener pseudo-sakralen Bedeutungsschwere verlieren, von der sie heutzutage noch umgeben ist, indem sich ihre schöpferische Kraft zunehmend in einer sinnenfroheren Lebensgestaltung bemerkbar macht.
Genau besehen bezieht das opernhafte Pathos, das bei uns jegliche Inszenierung von "Kunst" weitgehend begleitet, seine Kraft letztenEndes nur aus seinem Kontrast zu jener Bedeutungsleere und der Sinn- und Ausdruckslosigkeit, von der das tägliche Leben der meisten Menschen bis jetzt noch dominiert wird..
Um auf meine eigene künstlerische Entwicklung zu sprechen zu kommen
In einigen Bereichen war ich etwas frühreif, indem ich beispielsweise die Phase der merda d’artista bereits in allerfrühester Kindheit hinter mich brachte.
Allerdings habe ich anders als Manzoni - und auch genau zwanzig Jahre vor ihm - mein Material, nicht wie er als Konserve eingedost, sondern es malerisch frei eingesetzt. Den Grundstoff habe ich mir aus meinem Nachttopf durch die Gitterstäbe meines Bettchens geangelt, und verteilte ihn - inzwischen würde man diesen Stil informell nennen – freizügig auf dem Laken in meinem Bett.
Wie ebenfalls authentisch überliefert wurde, legte ich im selben Jahr, auch bereits meine erste Fettecke an. Das war im Jahre 1943, also im gleichen Jahr, in dem der spätere Meister der Fettecken über der Krim mit seinem Kampfflugzeug abgeschossen wurde, wobei er, wie er später behauptete, dem drohenden Kältetod nur durch das Fett und den Filz entkommen sei, mit dem Krimtartaren den gestürzten Krieger erwärmt hatten.
Ich jedoch war damals erst ein Jahr alt, als ich im erwähnten Gitterbett - wie man sieht, dem Atelier meiner frühen Schaffensjahre - das geschmeidig Fügsame und Formbare der deutschen Markenbutter erforschte.
Wie später so oft als Künstler musste ich mich damals bereits arg im Material beschränken, denn die Zeiten waren sehr rauh, so dass ich aus dem dicht neben meinem Bett stehenden Küchenschrank nur ein halbes Pfund Butter holen konnte. das ich sorgsam auf dem Laken und den Vorhängen an der Kopfseite verteilte! Meine Mutter sprach noch lange in beeindrucktem Tone von der Avantgarde dieser meiner ersten Werke.
Wen wundert es darum, dass jene künstlerische Frühreife zur Folge hat, dass ich seitdem ausgesprochen hemmungslos von Medium zu Medium fliege, von Sujet zu Sujet schweife, von Idee zu Idee springe, von Form zu Form tanze oder von Material zu Material klettere - ohne dabei irgendwelche Rücksichten auf eine eventuelle corporate identity, ein mögliches Produktdesign oder ein einprägsames Markenzeichen zu nehmen.
25/7/99